Freitag, 19. August 2016

Zum Tode von Ernst Nolte


I.
In der gestrigen  ARD-Tagesschau wurde  die Nachricht vom Tode Ernst Noltes erwartungsgemäß mit Vokabeln wie "der umstrittene Historiker" und "Vordenker der Neuen Rechten" bedacht. Des weiteren wurde der Bericht von  Wolfgang Benz kommentiert, der Nolte erneut als Protagonisten eines verhängnisvollen Revisionismus kennzeichnete. Die Bücher des Verstorbenen reichten nicht an die Maßstäbe seriöser Forschung heran. Punkt.

Eine vorurteilsfreie Würdigung des Werkes des Historikers Nolte - er begriff seine Arbeiten als die eines Geschichtsdenkers - scheint in Deutschland noch immer kaum möglich. Immerhin liegt mit der Biographie von Siegfried Gerlich ein Buch vor, an dem auch ideologische Gegner des Verstorbenen keine "revisionistische" Spur finden können. Und es entbehrt nicht der Ironie, dass der Begriff des "Weltbürgerkriegs" im 20. Jahrhundert  heute in allen Feuilletons ohne Bezug auf seinen Urheber Nolte (im Schlußkapitel des "Europäischen Bürgerkriegs") gehandelt wird.

Ich selbst hege gewisse Vorbehalte gegen Noltes Deutung des nazistischen Judenmords. Bedurfte es - trotz aller chronologischen Evidenz - erst der mörderisch-revolutionären Praxis der Bolschewiki, um die Mordinstinkte  im  nazistischen "Radikalfaschismus" (Nolte) freizusetzen? Zudem hat - aus meiner Sicht - Nolte  in seiner Fixierung auf die totalitären Antagonisten im "Europäischen Bürgerkrieg" die gegen all die anderen "Minderwertigen" gerichtete, darwinistisch begündete Rassenideologie der Nationalsozialisten unterbewertet. Auch scheint mir der wertneutrale Faktor "Macht" - etwa in den so beliebigen wie zweckrationalen Konstellationen und Allianzen seit der Geburtshilfe des Ancien Regime für die (gemäß Nolte) "linke" Amerikanische Revolution bis hin zu den Weltkriegen - in Noltes auf die Macht der Ideologien gerichteten Reflexionen nicht hinreichend gewichtet. Womit ich wenig anfangen kann, ist Noltes Definition des Faschismus als des  "Angriffs auf die praktische Transzendenz" bzw. auf das - aus dem Heidegger-Seminar entlehnte - eînai. Mir hat nie ganz eingeleuchtet, dass das von den beiden totalitären Bewegungen attackierte "Liberale System" eben dessen Ausdruck sei.

Derlei Kritik ändert nichts an der Tatsache, dass die von Habermas angeführte ideologische Treibjagd der bundesdeutschen Linksliberalen gegen einen profunden Gelehrten wie Ernst Nolte eine bittere Farce darstellte. Deren Nachwirkungen sind in den Medien und in Bologna-Seminaren noch spürbar, werden sich im Zuge allgemeiner  Ratlosigkeit angesichts der "dritten totalitären Herausforderung" durch den Islam (Nolte) alsbald verflüchtigen.

II.
Anstelle eines  Nachrufes  auf den im deutschen Krisenjahr 1923 geborenenen Historiker stelle ich nachfolgend einen Artikel vor, den ich anläßlich des 90. Geburtstags Ernst Noltes für die "Junge Freiheit" schrieb ("Einheit oder Vielfalt" in: JF 04/18.01.2013). (Ergänzend verweise ich auf meine Rezension von Noltes  2006 erschienenen Buches "Die Weimarer Republik. Demokratie zwischen Lenin und Hitler", in: JF 41/06.10.2006  https://jungefreiheit.de/service/archiv .)


III.
Am 11. Januar beging Ernst Nolte seinen 90. Geburtstag. Der andernorts hochgeehrte, in Deutschland jedoch verfemte Geschichtsdenker wurde in der Jungen Freiheit gewürdigt, ebenso in der FAZ. Auch dort wird der akademisch-medial genährte Argwohn gegen Nolte klar abgewiesen. Anders als der Frankfurter Sozialphilosoph Jürgen Habermas, der anno 1986 den absurden „Historikerstreit“ eröffnete, war Nolte in Jugendjahren gegen die Suggestionen des Nazismus gefeit. Wenn es ihm in oft eigenwilligen Zuspitzungen darum ging, „Auschwitz verstehbar“ zu machen, so gehörte Nolte trotz seines Festhaltens am „Prius“ des Klassenmordes der Bolschewiki und dem „kausalen Nexus“ nie zu den Verharmlosern, geschweige denn Leugnern des NS-Rassenmordes. Im Gegenteil: In spezifischer Denkweise verficht Nolte die These von der „Einzigartigkeit“ der NS-Verbrechen.

Hier ist nicht der Ort, die unendliche Debatte fortzusetzen. Angemerkt sei, daß die parallel zur Aufhebung des Nationalstaats sowie zur „multikulturellen“ Transformation betriebene Fixierung auf die historische Schande der Deutschen als Volk dem vermeintlich auf Freiheit und Gleichheit aller Individuen gerichteten linksliberalen Universalismus entgegensteht.

Übersehen wird von Noltes Feinden zudem, daß auch ihm im Ausblick auf das 21. Jahrhundert eine in partikularer Vielfalt geeinte Menschheit vor Augen steht. Das „linke“ Prinzip des Universalismus und dessen „rechte“ Negation, der Partikularismus, kämen am Ende zu einer friedlichen Synthese. Das Vehikel dieser Bewegung sieht Nolte in der Globalisierung.

Nicht im Einklang mit derlei Friedensvisionen stehen anno 2013 die weltpolitischen Fakten. Partikularismen, Machtansprüche, Antagonismen bestehen fort. Siehe Nahost: Wer will, wer vermag das Konfliktknäuel aufzulösen? Amerika, die EU, Israel, die Türkei? Daß die USA Universalismus mit Eigeninteresse verknüpfen, ist historisch nichts Neues. Ob die EU durch „noch mehr Einheit“ (Schäuble, Habermas etc.) Ungleichgewichte und Interessendivergenzen ausgleichen kann, ist die eine Frage; wie sie sich als Machtgebilde im globalen Spiel behaupten würde, die andere. Über die Projektionen der kapitalistisch erstarkten Han-Chinesen dürfen wir spekulieren. Und Rußland wird sich auch fürderhin westlichen Zumutungen nicht einfach fügen.
 

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